Maintal
– Mehrfacher Deutscher Meister, fünffacher Europameister und
dreifacher Weltmeister: Die Bilanz des 32-jährigen Jiu-Jitsu-Kämpfers Alexander
Sak macht klar, dass er zu den weltbesten Athleten seiner Sportart gehört. Erst
vor vier Jahren kam er mit seiner Familie aus Russland nach Deutschland und
kämpft seitdem für die deutsche Nationalmannschaft in der Gewichtsklasse +94
kg. Auch bei der an diesem Wochenende anstehenden Jiu-Jitsu Europameisterschaft
in Gelsenkirchen geht der Sportler des SC Budokan Maintal als Favorit ins
Turnier.
Im Leben des erfolgreichen Sportlers dreht sich alles um den Kampfsport.
Angefangen hat alles in seiner Heimatstadt Saosjorny - einer kleinen Stadt
mitten in Sibirien. Zunächst im Judo und Sambo, einer russisch-sowjetischen
Kampfsportart, aktiv, entscheidet sich das Kraftpaket 2014 auf Jiu-Jitsu
umzusteigen. „Ich wollte mehr kämpfen. Beim Judo ist es so, dass das meiste im
Stand stattfindet. Beim Jiu-Jitsu dagegen bleibt man zum Großteil am Boden und
man hat die Chance, sich zu befreien, selbst wenn man auf dem Rücken liegt. Ich
kann im Jiu-Jitsu meine Ground-Fighting-Qualitäten einfach besser nutzen“,
erklärt der Träger des schwarzen Gürtels (Blackbelt). Die ursprünglich von den
japanischen Samurai stammende Kampfkunst verlangt ihren Athleten alles ab. Neben
viel Kraft und Konzentration kommt es auch auf die richtige Technik an. Denn
Ziel ist es, seinen Gegner mit Würge- und Hebeltechniken zum Aufgeben zu
zwingen oder mit Hilfe von vorteilhaften Positionen oder Aktionen Punkte zu
sammeln.
Sak wird immer erfolgreicher. 2016 gibt er seinen Beruf als Fitnesscoach
auf, verlässt seine Heimatstadt und zieht in das fast 3300 Kilometer entfernte
Moskau. In der russischen Hauptstadt findet er die idealen Bedingungen für sein
Dasein als Profisportler vor. So bietet ihm die größte Stadt Russlands nicht
nur zahlreiche Trainingspartner auf hohem Leistungsniveau, sondern auch die
Möglichkeit, unkompliziert zu Turnieren auf der ganzen Welt zu reisen. Der
Vater einer fünfjährigen Tochter und eines dreijährigen Sohnes - damals noch
kinderlos - gewinnt in dieser Zeit regelmäßig Turniere in Amerika, Asien und
auch der wohl bedeutendsten Stadt für den Sport, Abu Dhabi.
Außerdem geht er zwischen 2016 und 2020 auch für die russische
Nationalmannschaft auf die Matte und erkämpft sich unter anderem einen Europa-
und Weltmeistertitel. Im Sommer 2020 erfüllen sich Sak und seine Frau einen
Traum: „Mein Ziel war es eigentlich immer, in die USA nach Kalifornien
auszuwandern. Dort ist Jiu-Jitsu sehr beliebt. Allerdings habe ich dann
erfahren, dass mein Opa väterlicherseits aus Deutschland kommt, weshalb ich
hierhergekommen bin.“ Dem ehrgeizigen Jiu-Jitsu-Kämpfer ist es von Anfang an
wichtig, sich zu integrieren. Kurz nach seiner Ankunft in Deutschland belegt er
einen Intensivkurs und lernt jeden Tag sechs Stunden Deutsch. Dafür schraubt er
sogar seinen ansonsten so vollen Trainingsplan zurück: Sechs Tage die Woche
trainiert er meistens zweimal am Tag. Vier dieser Einheiten verbringt er im
Kraftraum. Das ist auch notwendig. Denn in seiner Gewichtsklasse +94kg kann es
schonmal sein, dass er auf Gegner trifft, die 20 Kilogramm mehr auf die Waage
bringen als er.
Seit einigen Jahren erlebt Deutschland einen regelrechten „Kampfsport-Hype“.
Das hat auch Sak wahrgenommen, der mit zwei deutschen Kollegen im vergangenen
Jahr die Jiu-Jitsu League Germany gegründet hat und regelmäßig Turniere in
deutschen Großstädten organisiert. Für die Zukunft hat er dabei eine klare
Vision: „Wir wollen den Sport in Deutschland mit unseren Open Events, bei denen
sich Kämpfer aller Altersklassen ab vier Jahren und aller Nationen anmelden
können, voranbringen. Dabei versuchen wir auch ganz gezielt, Sponsoren zu
werben, die die Sportler dann unterstützen.“
Schon am 15. Juni findet das nächste große Event in Frankfurt statt. Bereits
zweimal haben Sak und sein Team solche Turniere auch schon in Maintal
ausgetragen. Immerhin hat er mit dem SC Budokan hier seinen Stammverein, zu dem
er aufgrund der guten Trainingsbedingungen gewechselt ist, obwohl er mit seiner
Familie derzeit noch in Mönchengladbach lebt. Noch bis Ende des Monats ist der
32-Jährige als Sportsoldat bei der Bundeswehr. Danach - so das Angebot des
Vereins - könne er auch als Trainer bei den Maintalern einsteigen und in die
Nähe ziehen.
Erfahrung, die er an die nächste Generation weitergeben kann, bringt der
mehrmalige Europameister mit Sicherheit genug mit. Sein größtes Highlight war
der WM-Sieg 2022 sowohl im Einzel als auch mit der gesamten deutschen
Mannschaft in Abu Dhabi mit anschließender Grußbotschaft der damaligen
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Lediglich ein Titel fehlt Sak in
seiner ansonsten bestens gefüllten Titelsammlung: Die Goldmedaille bei den
World Games, einer Art Olympische Spiele für Sportarten, die nicht Teil des
olympischen Wettkampfprogramms sind. Das liegt aber ganz einfach daran, dass
seine Gewichtsklasse zuletzt 2017 in Polen bei diesem Wettbewerb vertreten war.
Damals holte er die Bronzemedaille. Doch er liebt den Sport nicht nur, weil er
erfolgreich ist. „Es ist vor allem die Community. Ich habe hier in Deutschland
keine Verwandten. Trotzdem kenne ich durch den Sport fast in jeder Stadt
jemanden. Das hat mir auch sehr geholfen, mich hier in Deutschland
zurechtzufinden“, erzählt er stolz.
Quellenangabe: Hanauer Anzeiger vom 23.05.2024